Am kommenden Freitag, dem 16. September 2011 endet die öffentliche Auslegung der Bebauungsplanentwürfe für die den ehemaligen Duisburger Güterbahnhof, also auch für den historischen Ort der Loveparadekatastrophe. Wir haben in einem Artikel auf DocuNews auf diese Auslegung und die Möglichkeit Stellung zu beziehen hingewiesen. Bis 16:00 am Freitag dieser Woche können Stellungnahmen zum Bebauungsplan bei der Stadt Duisburg eingereicht werden. Diese müssen geprüft und individuell beantwortet werden.
Öffentlich diskutiert werden bisher im wesentlichen Bedenken der IHK und des Einzelhandels gegen die Pläne. Diese richten sich insbesondere gegen die Flächen für Nebensortimente in den beiden Möbelhäusern. Man befürchtet den Abzug von Kaufkraft aus der Duisburger Innenstadt. Stellungnahmen und Einwände zum Thema „Erhaltung des historischen Ortes der Loveparade“ wurden bisher öffentlich nicht bekannt. Dies ändert sich jetzt. Wir dokumentieren im folgenden die Einwände des Gründers von DocuNews, Lothar Evers zum Bebauungsplanentwurf. Diese wurden gestern dem kommissarischen Dezernenten für Stadtplanung und Duisburger Stadtdirektor Dr. Peter Greulich zugeleitet.
Das Dokument kann steht auch im*.pdf Format zum Download bereit.
Stellungnahme nach § 3 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB)
zum Bebauungsplan „1129 Dellviertel, „Duisburger Freiheit“
Zur Zeit liegt der Bebauungsplan „1129 Dellviertel, „Duisburger Freiheit“ öffentlich aus. Die folgende Stellungnahme bitte ich gemäss § 3 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) bei den weiteren Planungen zu prüfen und mir das Ergebnis dieser Prüfung mitzuteilen.
Vorbemerkung:
Gemäss § 3 Abs 2 Baugesetzbuch ist die “Öffentlichkeit (…) möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten.”
Der vorliegende Bebauungsplanentwurf verändert die im Februar 2010 der Öffentlichkeit vorgestellte Planung massiv:
- eine Wohnbebauung ist nicht länger vorgesehen.
- statt die Unterführung Karl Lehr Strasse weitgehend zu öffnen ist in der neuen Planung sogar eine Verlängerung der Unterführung von Osten geplant.
- auf eine Anbindung des zu bebauenden Geländes an die Karl Lehr Strasse und damit an die benachbarten Stadtteile Dellviertel und Hochfeld wird verzichtet.
- das bisher südlich der Karl Lehr Strasse geplante Möbelhaus ist nach Norden verlegt worden.
- Die Fläche für zwei Möbelhäuser reduziert die ursprünglich geplante Bürobebauung dramatisch. Dadurch werden weniger Arbeitsplätze geschaffen.
- Die beiden Möbelhäuser rücken gerade im Bereich Karl Lehr Strasse so eng zusammen, dass die Idee des Generalplans des Büros Foster, die Bebauung eher im Außenbereich zu planen und so in der Mitte des Geländes eine grüne Achse zu gestalten kaum noch zu erkennen ist.
- Durch die Vergrößerung der Möbelhäuser ist auch eine Verdoppelung der Verkaufsfläche für Nebensortimente in Duisburg geplant. Dies wird massiv Kaufkraft von der Duisburger Innenstadt abziehen.
Diese Planungen sind zwischen Mai 2010 und April 2011 besprochen und abgestimmt worden, ohne die Öffentlichkeit zu beteiligen. Diese Beteiligung hat erst im April 2011 stattgefunden. In der Zwischenzeit ist insbesondere auch eine Information an die Hinterbliebenen und Verletzten der Loveparade Katastrophe nicht erfolgt, so dass die Planung auf dem derzeitigen Stand deren Anliegen kaum integriert hat.
Zur Genese der Planung
Zum besseren Verständnis der jetzt vorliegenden Planung lohnt es sich, diese mit den vorherigen Entwürfen zu vergleichen und Veränderungen zu benennen.
Masterplan Foster und Partner
Das Büro Foster hatte eine Bebauung mit Wohnungen und Büros entlang der Bahnlinie und der Autobahn vorgesehen, dadurch ergab sich der Grünstreifen in der Mitte des Geländes und eine gute Schalldämmung gegen den Verkehrslärm:
Diese Planung grenzte sich deutlich von der bisher vorgesehenen Konzeption „Multi – Casa“ ab. Die WAZ berichtete über die Vorstellung der Planung:
„Im Gegensatz zur früheren Multi-Casa-Planung soll nicht ein einziger großer Komplex entstehen. Vielmehr sollen neben Bahntrasse auf der einen Seite und der A 59 auf der anderen Seite viele „kleinere“ Wohn- und Büro-Komplexe errichtet werden, die gleichzeitig als Lärmschutz dienen. Der Innenbereich wird zu einer Parklandschaft (135 000 Quadratmeter) mit Wasserflächen ausgebaut.”
Planung aurelis und Stadt Duisburg Februar 2010
Auf dieser Planung des Büros Foster aufbauend, stellte die Stadt Duisburg in Kooperation mit dem damaligen Grundstücksbesitzer, aurelis GmbH im Februar 2010 eine modifizierte Planung vor. Im Süden der Karl Lehr Strasse wurde ein Möbelhaus integriert (weiße Fläche):
Erstentwurf Kriegergruppe Mai 2010
Auf der Grundlage der Vorplanungen von Januar 2010 erwarb die Kriegergruppe das Gelände im Mai 2010 von aurelis. Gleich im ersten Entwurf machte der Erwerber deutlich, dass er zugunsten einer einseitigen Nutzung des Geländes für mehrere Möbelhäuser diese Planungen zu ignorieren gedachte:
Die Grünfläche mit Bebauung entlang den Verkehrswegen wurde einer Zentralbebauung geopfert. Einige der dabei vorgesehenen Gebäude werden zudem als „Querriegel“ geplant, die als unüberwindliche Barrieren wirken. In dieser Planung wird die Karl Lehr Strasse auch nicht mehr weitgehend geöffnet vielmehr komplett verschlossen und überbaut.
Frühe Bürgerbeteiligung April 2011
Diese Konzeption wird zwar in der im Rahmen der „frühen Bürgerbeteiligung“ der Öffentlichkeit vorgestellten Entwurfsplanung nicht länger favorisiert:
Die Fostersche Konzeption ist jedoch ebenfalls kaum noch wieder zu erkennen. Die wesentlichen Abweichungen im Einzelnen sind in der Auflistung auf Seite eins und zwei dieser Stellungnahme im einzelnen aufgeführt.
Jetzt vorliegende Entwürfe
Obwohl an dieser Planung bereits in der frühen Bürgerbeteiligung Kritik geübt wurde, sind in die jetzt aus liegende Planung kaum Anregungen aus dieser frühen Bürgerbeteiligung eingeflossen. Sie ist lediglich in einigen Details ausführlicher, konzeptionell jedoch identisch:
Kritik
In so gut wie allen Aspekten scheint uns die jetzt vorliegende Konzeption der Bebauung im Interesse der Kriegergruppe deutlich schlechter als die bisherige Planung. Dies gilt insbesondere für die folgenden Aspekte:
- Stadtplanung:
Durch die Verschiebung der beiden Möbelhäuser nach Norden kann die Anbindung des neuen Stadtteiles an das Dellviertel und Hochfeld nicht gewährleistet werden. Die Karl Lehr Strasse wird statt geöffnet weiter überbaut und verdunkelt.
Durch die Verbreiterung der Möbelhäuser zur Mitte des Geländes wird die grüne Achse so schmal, dass sie den Stadtteil nicht länger prägt. Er wird vielmehr zur „Möbelstadt“. - Arbeitsplätze
Durch die Vergrößerung der Möbelhausfläche wird die Möglichkeit der Bürobebauung reduziert. Diese Form der Bebauung sichert und schafft jedoch deutlich mehr Arbeitsplätze als der großflächige Möbelhandel. - Kaufkraftabzug aus der City
Durch das Nebensortiment der Möbelhäuser wird die Verkaufsfläche für diese Waren in Duisburg verdoppelt. Dies zieht Kaufkraft aus der City ab und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Existenzvernichtung im innerstädtischen Einzelhandel führen. - Erhaltung des historischen Ortes der Loveparade Katastrophe
Durch die jetzt neu vorgesehene Verlängerung des Osttunnels der Karl Lehr Strasse und die Verlegung bzw Erweiterung der Möbelhäuser von Süden nach Norden wird die Erhaltung des historischen Ortes der Loveparadekatastrophe unnötig erschwert.
Die Einzeichnung dieses historischen Ortes in die Pläne ist eine der wenigen Konzessionen, die zwischen frühzeitiger Beteiligung im April 2011 und der derzeitigen Auslegung seitens der Stadt Duisburg und des Investors gemacht wurden. In diesem Plan ist dieser historische Ort grün gestrichelt eingezeichnet.
(um die Beschriftung lesen zu können wurde die Darstellung in Abweichung zu den vorherigen Abbildungen um 90 Grad gedreht;):
Ausgerechnet an dieser Stelle der Katastrophe rücken die beiden Möbelhäuser dicht zusammen. Neben der Strasse und Radweg bleibt nur wenig Platz.
Konsequent wurde in der ursprünglichen Begründung zum jetzt vorliegenden Bebauungsplanentwurf ein Erhalt des „historischen Ortes“ nicht nur abgelehnt sondern für unmöglich erklärt:
„Gedenkstätte Loveparade-Katastrophe:
Die Karl-Lehr-Straße wird im Bereich zwischen der grünen Achse mit der Wegeverbindung und der Autobahn A 59 weit geöffnet. Hier ist auch eine Rampe für Fußgänger und Radfahrer zur Verknüpfung vorgesehen. Der Parkbereich bietet auch den Raum für die Unterbringung eines Erinnerungsorts an die Opfer der Loveparade-Katastrophe. Der Originalort des Unglücks ist nicht erhaltbar. Die Tunnelstrecke und die bestehende Rampe / Treppe von der Karl-Lehr-Straße aus ist mit dem Gesamtkonzept der Planungen zur Duisburger Freiheit nicht in Einklang zu bringen. Die große innere Grünstruktur mit der Haupterschließung kann nicht realisiert werden, wenn der Topografiesprung der Rampe an der Karl-Lehr-Straße nicht beseitigt wird. Eine Verschiebung der Grünfläche und der Erschließung geht nur bei Verzicht auf die jetzt geplanten Baufelder. Damit ist aber der Grundgedanke des gesamten Konzepts der Duisburger Freiheit nicht mehr umsetzbar. Aus diesen Gründen wird eine vom Ort des Unglücks abgelöste Gedenkstätte ermöglicht. Ort, Art und Form wird mit den Betroffenen abgestimmt.“
Dieser Teil der Begründung wurde erst nach massivem öffentlichen Druck per Tischvorlage am Tag der die öffentliche Auslegung der Planung beschließenden Ratssitzung in den folgenden Text geändert:
„Gedenkstätte Loveparade-Katastrophe
Die Verwaltung und der Investor sind in intensivem und kooperativem Gespräch mit den Angehörigen und Verletzten. Gemeinsames Ziel ist es, eine Lösung für die Errichtung der Gedenkstätte zu finden, die sowohl die legitimen und nachvollziehbaren Wünsche der Angehörigen und Verletzten als auch das abgestimmte städtebauliche Konzept möglichst weitgehend verwirklicht.
Unter Einbeziehung der Anregungen sind bereits Entwürfe für eine Gedenkstätte entwickelt worden. Dabei erschien grundsätzlich denkbar, unter Verschwenkung des geplanten Fuß- und Radweges und/oder andere technische Maßnahmen die Treppe als Kernstück des Unglücksortes zu erhalten. Die Konkretisierung der Planungen zur Gedenkstätte soll sodann in enger Abstimmung mit den Betroffenen erfolgen und wird bis zum Satzungsbeschluss des Bebauungsplans abgeschlossen sein.“
Zwar wird mit dieser neuen Begründung die alte radikale Position, der historische Ort der Katastrophe sei nicht zu erhalten, relativiert.
Trotzdem entspricht auch diese neue Begründung nicht den Tatsachen. Die Gespräche zwischen Investor und den Angehörigen und Verletzten sind bisher alles andere als „intensiv“. Die auf der Auftaktsitzung am 15. Juni 2011 beschlossenen Arbeitsgruppen sind bis heute nicht zusammengetreten. Auch wurden die Entwürfe des Investors bisher den Betroffenen nie überlassen, sondern nach Einsichtnahme wieder eingesammelt. Daher sind fast drei Monate des Sommers 2011 fast ungenutzt verstrichen und eigentlich erst am 9. September 2011 mit echten Verhandlungen begonnen worden. Es bleibt zu hoffen, dass diese nunmehr zügig und tatsächlich „intensiv“ fortgeführt werden und konkrete Ergebnisse zeigen.
Dies ist jedoch im Moment offen. Wir, als zum Entwurf Stellung nehmende Bürger sind so daran gehindert, zu den Entwürfen mit fundiert Stellung zu beziehen. Daher ist zu fordern das uns hierzu wie auch zu weiteren noch einzuarbeitenden bzw. zu ändernden Details der Entwürfe im Rahmen einer weiteren öffentlichen Auslegung weitere Gelegenheit gegeben wird.
Fazit:
Der Bebauungsplan „1129 Dellviertel, „Duisburger Freiheit“ sollte die Abweichungen der derzeitigen Planungen von denen des Masterplans des Büros Foster und der Planung von Jahresbeginn 2010 unter deren Massgaben der Erwerb des Geländes seitens der Krieger Gruppe erfolgte, nicht übernehmen.
Insbesondere in den folgenden Punkten:
Das Gelände sollte klar gegliedert sein und ein oder mehrere Möbelhäuser nur südlich der Karl Lehr Strasse vorsehen. Der Grünstreifen sollte umfassender realisiert werden, die Bebauung sich an Autobahn und Bahngleise zurückziehen. Dabei sollten Parkplätze auch nicht wie bisher vorgesehen vorwiegend ebenerdig sondern vorrangig als Tiefgaragenplätze realisiert werden.
Die Anbindung des Dellviertels und Duisburg Hochfelds an den neuen Stadtteil sollten gewährleistet sein. Dies gelingt am besten durch Anbindung des Stadtteils über die Karl Lehr Strasse. Diese ist weitgehende zu öffnen und nur an den Stellen zu überbauen, wo dies zur Querung der Autobahn und der Gleise unverzichtbar ist.
Die Bebauung mit Bürogebäuden sollte in ursprünglichem Umfang beibehalten werden und nicht einseitig zugunsten der Fläche der Möbelhäuser reduziert werden. So entstehen mehr Arbeitsplätze für Duisburg.
Die Verkaufsfläche für Nebensortimente der neu entstehenden Möbelhäuser ist deutlich zu reduzieren, da sonst Konkurse alt eingesessener Einzelhandelsgeschäfte zu befürchten sind.
Vor allem ist jedoch der „historische Ort der Loveparade-Katastrophe“ als Ort der Trauer und des Gedenkens zu erhalten. Hierzu ist insbesondere dann Gelegenheit, wenn die Errichtung von Möbeleinzelhandel ausschliesslich südlich der Karl Lehr Strasse vorgesehen wird.
Bei der Gestaltung dieses „historischen Ortes“ sollten die Betroffenen umfassend beteiligt und ihre Wünsche realisiert werden. Die Trauernden und Verletzten brauchen diesen Ort zur Verarbeitung ihrer Traumata und zur Bewältigung ihrer Trauer. Das gilt für alle Verletzten und Hinterbliebene größerer Katastrophen.
Deshalb hat die Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche Reisen von Hinterbliebenen an die Orte der Tsunami Katastrophe realisiert. Deshalb hat die Deutsche Bahn AG eine würdige Gedenkstätte am Ort der ICE Katastrophe in Enschede gestaltet. Deshalb versammelten sich über 700 Hinterbliebene der 40 Passagiere und Crew Mitglieder von United Airlines Flight 93 genau 10 Jahre nach dem 11. September 2001 an der Absturzstelle in Pennsylvania.
Duisburg hat an der bisher nicht geleisteten Aufklärung der Loveparade Katastrophe schwer genug zu tragen. Die Stadt Duisburg sollte die Angehörigen und Verletzten dieser Tragödie nicht erneut ignorieren.
Zum Nachlesen:
Die Stellungnahme von Lothar Evers zum Bebauungsplan für das Loveparade Gelände gibt es auch als *.pdf zum Download.
Es ist gut, dass Du, Lothar, die Arbeit leistest, die andere Aktivisten sich nur auf ihre Fahnen schreiben. Informationen und Zusammenhalt können die Chance bieten, dass die Flächennutzung der Rampe bürgergerecht umgesetzt wird.